Sagen und Geschichten
aus Görkau und Umgebung
* Der verhängnisvolle Maskenzug
* Der Schwesternraub von Rothenhaus
* Das Hahnenkreuz von Görkau
* Drei Frauen auf dem neuen Görkauer Friedhof
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Eine weitere Sage über Rothenhaus ist die Geschichte vom Schwesterraub
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Das Hahnenkreuz von Görkau
Die Sage
über dieses Gedenkkreuz, das zuletzt gegenüber dem Görkauer Bahnhof
stand, stammt aus der Zeit der Hussitenkriege und wird in leicht veränderter
Form in verschiedenen Chroniken und Zeitschriften immer wieder einmal erwähnt.
Die Komotauer Heimatzeitung und die Jahrbücher berichteten ebenso darüber, wie
bereits das alte
Sagenbuch im
Erzgebirge Museum
Nr.
669,
von Fr. Bernau, Comotovia, 1877, S. 77.
Hier die älteste
Version, die später von Frau Maria Bäuerle nacherzählt wurde:
An der Straße von Udwitz nach Görkau findet man linker Hand ein von
Lindenbäumchen beschattetes Kreuz, das sogenannte Hahnenkreuz, worauf ein von
vergoldetem Blech gefertigter Hahn befestigt ist. An diesen knüpft sich folgende
Sage:
Zur Zeit der Hussitenkriege zogen die Scharen des gefürchteten Ziska,
nachdem sie die Stadt Komotau in Asche gelegt, auf die Stadt Görkau und das
Schloss Rothenhaus los, um unter den dortigen katholischen Bewohnern ebenfalls
mit Blut und Mord aufzuräumen. Es war am Schutzengelfeste, als sie durch einen
äußerst dichten Nebel auf ihrem Zuge dahin aufgehalten wurden und sich erst dann
wieder in Bewegung setzten, als sie ein aus der Ferne her schallendes
Hahnengeschrei vernahmen, welches, wie sie glaubten, von Görkau herüber tönte.
Sie verfolgten die Richtung des Krähens und verfehlten glücklich die Stadt,
indem sie weiter östlich gelangten und schließlich nicht mehr zurückkehrten. Zur
Erinnerung an diese wunderbare Errettung aus drohender Gefahr ließen die
Bewohner von Görkau das erwähnte Kreuz anfertigen und auf dem Friedhofe
aufstellen, von wo es im Jahre 1854 auf den jetzigen Platz unter großen
Feierlichkeiten übertragen wurde. Die kleinen daselbst stehenden Linden wurden
damals von der Görkauer Schuljugend gepflanzt.
Alter
Standort des Hahnenkreuzes an der Udwitzer Straße
Bild und
Text aus: „Stadt Görkau im Bild“ von H. Hujer, Görkau
Das Hahnenkreuz in Görkau
Standort:
gegenüber dem Görkauer Bahnhof; an der Straßenecke des Weges nach Neu-Pirken,
im
Hintergrund das Erzgebirge
Foto S. Hennrich, 1938
Im alten
Stadtplan von Görkau aus dem Jahre 1931 ist dieses Hahnenkreuz noch mit einem
Symbol
†
eingezeichnet
(siehe
www.goerkau.de
– Die Stadt Görkau – Stadtplan).
Wie auf dem Foto
zu erkennen ist, handelt es sich um einen zweiteiligen Steinsockel mit einem
aufgesetzten, aus Eisen bestehenden Kruzifix in barocker Formgestaltung. Die
Gesamthöhe betrug wohl ca. 3,50 Meter.
In den 1960er
Jahren wurde das Kreuz samt Sockel zerstört oder weggebracht.
Heute befinden
sich auf dem Platz gegenüber dem ehemaligen Bahnhof von Görkau drei tschechische
Gedenksteine. An der Stelle des ehemaligen Hahnenkreuzes wird der tschechischen
Toten von 1914 bis 1918 und von 1939 bis 1945 gedacht.
In verschiedenen
Heimatheften des Görkauer Freundeskreises finden sich zu dieser Sage, die ganz
sicher einen historischen Hintergrund hat, noch Ergänzungen und Ausschmückungen.
Karl Mittelbach
berichtet beispielsweise von einer Prozession der gesamten frommen Bürgerschaft
von Görkau, die an besagtem Tage im Jahre 1421 von der Stadtkirche zum
Marktplatz zog und das Schutzengelfest mit Predigt und Gebeten beging. Niemand
ahnte, welchem schlimmen Geschehen die Stadt entgangen war.
Steinsockel des Hahnenkreuzes
Zeichnung: Olga Schmidt, 2019; nach dem
Foto von S. Hennrich
In der Görkauer
Chronik von Rudolf Pensler von 1928 lesen wir auf Seite 9: „Das jetzige,
gegenüber der Bahnstation stehende Kreuz wurde von der Bürgerwitwe Elisabeth
Seemann im Jahre 1854 errichtet. An der Vorderseite des Sockels sieht man einen
(ehemals vergoldeten) Hahn.“ Wie es in Böhmen üblich war, hatte man den Sockel
des Kreuzes mit einem kleinen Lattenzaun umgeben und es gab unten auch einen
Platz, an dem gläubige Heimatleute Blumen hinstellen konnten.
Alle bisherigen
Nachfragen bei Historikern und beim Museum in Komotau nach dem Verbleib des
Kreuzes blieben bisher ohne Erfolg.
So manches Kleinstadtidyll ist in den letzten
Jahrzehnten aus dem Stadtbereich verschwunden; versunkene Romantik aus den Tagen
unserer Väter. Positiv und lobenswert sind hingegen die Restaurierung des großen
Wandbildes an der Stadtkirche St. Ägidius (2014) und die Renovierung des großen
Kriegerdenkmals von 1914-18 und die Neugestaltung des Annaparks im Jahr 2018.
Jürgen
Schmidt, Mai 2019
Quellen:
Chronik
von R. Pensler, 1928
Heft:
Stadt Görkau von H. Hujer;
Foto: S.
Hennrich; Zeichn. O. Schmidt, 2019
***
Die Geschichte über
drei Frauen,
die auf dem neuen
Friedhof in Görkau begraben wurden
Soweit
bekannt ist, wurden die Verstorbenen in alter Zeit in Görkau rings um die
Pfarrkirche St. Aegidius begraben. Später auch einige von der Herrschaft des
Schloßes Rothenhaus direkt in der Kirche. Genannt sei davon Christoph von
Carlowitz, der einstige Besitzer des alten Schlosses, der auch das Alaunbergwerk
einrichtete und Bürgermeister der Stadt Görkau Mitte des 16. Jahrhunderts war.
Die Grabplatte mit dem knienden Ritter ist in der Kirche noch vorhanden. In der
Rothenhauser Seitenkapelle befindet sich die Gruft mit den sterblichen
Überresten einiger Adliger aus dem Hause Hohenlohe-Langenburg. Graf Sandro, der
Enkel der bekannten Prinzessin Pimpinella aus dem Schloß Rothenhaus, legt dort
bei seinen Besuchen stets Blumen nieder oder befestigt kleine Kränze.
Der spätere Stadtfriedhof
lag etwa 200 m südlich der Dekanalkirche, linker Hand an der Bahnhofstraße, die
nach Komotau führt. Dieser Friedhof war von einer Mauer umgeben und hatte ein
sehr schönes Eingangstor (siehe Foto). Die dazugehörende Friedhofskapelle, die
der Hl. Mutter Anna, geweiht war, befand sich in der Nähe des Tores und säumte
die alte Straße. Wann genau dieser Friedhof, den man später Annapark nannte,
eingerichtet wurde, ist aus der Chronik von Pensler nicht zu ersehen. Dagegen
sind die Daten zur Schließung dieses Friedhofs und der viel später erfolgte,
mutwillige Abriss der St. Annenkapelle und des historischen Eingangstores von
1771 sehr wohl bekannt.
Im Jahre 1696 wurde die
kleine barocke Kirche erbaut. Wegen Einsturzgefahr
mußte im Juli 1882 ein Teil des Bauwerks
abgetragen und zwei Jahre später auf Kosten der Pfarrei mit knapp 2000 Gulden
wieder hergerichtet. Nach 1945 wurde sie kaum noch genutzt, da die deutsche,
katholische Bevölkerung vertrieben war und so riß man sie zur Straßenerweiterung
im März 1966 einfach ab.
Weil der alte
Annenfriedhof inmitten der Stadt vor mehr als einhundert Jahren zu klein
geworden war, so berichtet die Stadtchronik folgendes:
Von 1902 bis 1904 wurde von den die
Friedhofsgemeinde Görkau bildenden Orten ein Kommunalfriedhof mit einem Aufwande
von 96000 Kronen errichtet.
An der Straße nach
Sadschitz befand sich ein entsprechend großes Areal, welches als „Neuer
Friedhof“ am 23. Mai 1904 eröffnet
werden konnte.
An diesem Tag gab es nun
gleich zwei Leichen, die sozusagen diesen neuen Friedhof einweihen sollten oder
eingeweiht haben. Die eine von ihnen steht in der Chronik und die andere hat ein
Ehrengrab bekommen, welches noch heute gepflegt wird und das ganz besonders vom
Görkauer Freundeskreis.
Zunächst Frau
Theresia Münchenbach, sie starb am
23. Mai 1904 in Kaitz und war die Ehefrau des Mühlenbesitzers Münchenbach, Kaitz
Nr. 26. Sie wurde auf dem neuen Friedhof in Görkau begraben, weil das wenige
Kilometer östlich gelegene Dorf, ebenso wie Ojes, nach Görkau eingepfarrt und
eingeschult war. An welchem Tag allerdings die Beerdigung stattfand, konnte
nicht in Erfahrung gebracht werden, obwohl die Enkeltochter dieser Verstorbenen,
Frau Anna Müller, geb. Münchenbach, mit 95 Jahren
noch heute weiß, wo das Grab war. Sie betreute auch viele Jahre lang als
Heimat-Ortsbetreuerin die vertriebenen Landsleute aus Kaitz und Ojes.
Die zweite Tote vom 23.
Mai 1904 war Anna Haubner. Sie war erst 22 Jahre alt und
stammte wohl aus Görkau. Auf dem Grabstein kann man folgenden Text lesen:
Hier
ruht in Gottes Muttererde
Frau Anna Haubner.
Sie starb am 23. Mai 1904
im 22. Lebensjahre
Sie war somit die Erste
und hat den neugebauten Friedhof
mit ihrer Person eröffnet.
.
Aus diesem Anlass hat die
Vollversammlung des Kommunalfriedhofes
am 9. Oktober 1935 den Beschluss gefasst,
dieses Grab als Ehrengrab zu benennen
und für immerwährende Zeiten
in Ordnung zu halten.
Die Friedhofsverwaltung
Es
muss nun angenommen werden, dass Anna Haubner als erste Tote auf dem neuen
Friedhof in Görkau an der Sadschitzer Straße beerdigt worden ist.
Verwunderlich ist
allerdings, dass die Friedhofsverwaltung erst 31 Jahre später (1935) den
Beschluss fasste, dieser Verstorbenen ein Ehrengrab zu widmen.
Wiederum dauerte es 74
Jahre bis sich die neue tschechische Stadt- und Friedhofsverwaltung an dieses
Ehrengrab erinnerte. Auf Anregung und mit finanzieller Unterstützung des
Görkauer Freundeskreises, besonders unseres Landsmanns Emil Siegert,
konnte das Grab der Anna Haubner, welches
unweit des neuen Gedenksteins liegt,
im Jahre 2009 restauriert werden.
Jährlich wird es zusammen
mit dem Gedenkstein gepflegt und geschmückt. Diese wichtige Erinnerungsarbeit
wird teils von Soldaten der Bundeswehr und der tschechischen Armee, sowie von
Heimatfreunden übernommen, „Damit kein Gras drüber wächst“, wie der Titel des
gleichnamigen Buches vom Sprecher des Görkauer Freundeskreises, Prof. Rudolf
Jansche, lautet.
Aber nun zur dritten
Person, die als Tote ebenfalls, allerdings einige Jahre später, auf dem neuen
Friedhof begraben wurde. Dazu findet man in der Stadtchronik zu Görkau folgende
Anmerkung:
Beschluss (der
Stadtverwaltung) vom 9. Juli 1919, den alten Friedhof und die Annenkirche
aufzulassen und die Leiche der Frächtersgattin Frau
Theresia Hunger, die zur Errichtung des neuen Friedhofs 20.000
Kronen spendete, dort zu bestatten. (Frächter war die alte österreichische
Bezeichnung für Transportunternehmer; Frachtführer)
Theresia Hunger lebte
somit noch 15 Jahre nach Eröffnung des neuen Friedhofs, bis sie dann dort ihre
letzte Ruhestätte fand.
Fast alle Gräber auf
diesem schönen Friedhof mit dem recht großen und ansehnlichen Eingangsbereich
und der Trauerhalle trugen bis 1945 deutsche Namen. Die verschiedenen Grabsteine
mit den Namenstafeln aus Glas wurden größtenteils vom Bildhauer und
Steinmetzmeister Franz Richter aus Görkau angefertigt.
Heute, im Jahre 2019,
findet man leider nur noch wenige Gräber mit deutschen Inschriften. Es ist ja
auch verständlich, wenn seit mehr als 70 Jahren kaum noch daheimgebliebene
Deutsche in Görkau und den umliegenden Dörfern wohnen. Wer soll die alten
Grabstätten pflegen; wer soll sie bezahlen? Auch in Deutschland werden auf den
Friedhöfen Gräber, die älter als 25 oder 30 Jahre sind und nicht gepflegt
werden, eingeebnet.
Auch mein Großvater,
Heinrich Schmidt, aus Ojes wurde 1939 auf diesem neuen Görkauer Friedhof
begraben. Sein Grabstein stand noch in den 1970er Jahren und die Grabstelle
wurde später eingeebnet. Als Enkelsohn habe ich mir den Platz gut gemerkt und
ihn auch meinen Kindern gezeigt. Meine Großmutter, Josefa, mussten wir leider
1953 in fremder Erde bestatten, obwohl ihr Platz im Doppelgrab bereits
vorgesehen war.
Immer, wenn ich nach
Görkau, in meine Heimatstadt komme, und das ist 2- bis 3-mal im Jahr, gehe ich
zunächst an den Gedenkstein des Görkauer Freundeskreises am Eingang hinter der
Kapelle, um an alle Görkauer, die hier und in der Fremde ruhen (so wie es auf
dem Stein steht), zu denken und für sie ein kurzes Gebet zu sprechen. Danach
aber besuche ich den Platz, an dem mein Vorfahr, mein Großvater, begraben liegt,
auch wenn dort kein Stein mehr steht, der seinen Namen trägt.
Ich wünsche meinen
Heimatleuten aus Görkau und der Umgebung, dass auch sie einen Platz haben, wo
sie ihrer Vorfahren gedenken können und sei es nur im eigenen Herzen. Alle
unsere Verstorbenen mögen in Gottes Frieden ruhen.
Jürgen
Schmidt, im Mai 2019
***