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      Grafik aus „Buchkalender Erzgebirge Saazerland“ 2014


      Geburtshaus von Gerhard Triebe in Ojes (Kolonialwarenladen)
      v.l. Vater Karl Triebe und dessen Bruder Robert
      Der Handwagen diente bei der Vertreibung als Transportmittel.

       

      Als einer der letzten Zeitzeugen erinnert sich Gerhard Triebe (91) auch heute noch an die Ereignisse, die nach dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 hereinbrachen, als wäre es gestern geschehen. Er wurde 1934 in Ojes geboren. Seine Eltern betrieben dort einen Kolonialwarenladen und später kam in Rothenhaus ein Delikatessladen dazu. Dieses Grundstück und Haus mit Geschäft erwarb der Vater 1933 und der endgültige Umzug der Familie Triebe nach Rothenhaus erfolgte 1937. Hier verbrachte Gerhard eine unvergesslich schöne, unbeschwerte Kindheit, die verbunden ist mit der urwüchsigen Schönheit des Erzgebirges und dem Schloss Rothenhaus mit seinen Schlossherren, der Familie Hohenlohe-Langenburg.


      Erinnerungen - Vertreibung und Wiedersehen
      von Gerhard Triebe



      Ich erinnere mich noch: Es geschah vor 80 Jahren.

      Ich war gerade 11 Jahre alt geworden. Am 9. August 1945 morgens um 7.00 Uhr donnerten Faustschläge an unsere Wohnungstür in Rothenhaus, Dorfstrasse 19, ein Ort bei Görkau, Kreis Komotau, Regierungsbezirk Aussig im Sudetenland, am Fuße des Erzgebirges gelegen. Eine unfreundliche Männerstimme rief: „Sie werden noch heute evakuiert! Öffnen Sie die Tür!“ Zwei Männer in tschechischer Uniform betraten die Wohnung, eröffneten meinen Eltern und mir, was wir und wie viel wir mitnehmen dürfen, verlangten sofort die Abgabe von Schmuck und unsere Sparbücher und befahlen uns, dass wir in einer halben Stunde uns auf der Straße nach Görkau zum Abmarsch einzufinden haben. Mit uns wurden die ersten 20 Familien aus der Heimat Rothenhaus vertrieben. Meine Eltern hatten ihren Besitz verloren und wir alle unsere Heimat. Jahrzehnte später fanden mein Bruder und ich nach dem Tode unserer Mutter die Anfang der dreißiger Jahre notariell beglaubigten Urkunden über den Besitz meiner Eltern.
      1945 ging unser Transport in die Sowjetische Besatzungszone, bis Magdeburg in offenen Waggons, und am 16.09.1945 endete unsere Odyssee in Schernikau, einem kleinen Dorf in der Altmark in Sachsen-Anhalt. Das einzig Positive war: Wir Rothenhauser blieben zusammen, darunter auch der Freund meines Lebens, Erhard Hertan, mein Spielgefährte aus Rothenhaus. Wir beide lernten in Schernikau einen Jungen unseres Alters kennen, der der Dritte in unserm Bunde wurde. Wenige Tage zuvor war dort nämlich auch ein Transport Vertriebener aus unserer Kreisstadt Komotau angekommen. Die erste Begegnung mit Komotauern muß ich erzählen: Meine Eltern und ich wurden im alten Teil eines Bauernhofes an der Straße untergebracht. Am ersten Sonntag klopfte es gegen 8.00 Uhr morgens gegen ein Fenster und eine Männerstimme rief: „Kaufmann Karl Triebe aus Rothenhaus. Hier ist der Eier-Großhändler Hertel aus Komotau und bringt frische Eier!“ Endlich sah ich ein Lächeln über die Gesichter meiner Eltern huschen. Auf der Straße gab es eine Umarmung mit dem Ehepaar Hertl. Diese Freundschaft hielt ein Leben lang.
      Zu der Komotauer Gruppe zählten auch Frau Paula Pommer und ihr Sohn Franz. Der Vater kam aus dem Krieg nicht zurück. Franz und ich machten 1952 das Abitur. Franz ging mit Mutter nach dem Westen und studierte dort. Wir drei Freunde trafen uns erst wieder nach dem Wunder der Einheit; denn auch Erhard gründete in Böblingen eine Familie. Franz, der in Essen lebt, organisierte jahrelang für seine Komotauer Busfahrten in die Heimat. Auf Schloss Rothenhaus kannte er sich bestens aus. Da er die „Komotauer Zeitung“ von Anfang an abonniert hatte, schickte er mir alle Abschnitte, die mit Rothenhaus, dem Schloss und den Hohenlohes zu tun hatten. Ich wurde neugierig und abonnierte sofort diese informative Heimatzeitung.
      1991 wurde ich Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft; 1999 nahm ich das erste Mal an der Landeskulturkonferenz der SL Brandenburg teil. In der Pause wurden wir gebeten, eine Ausstellung zu besichtigen. Die Ausstellung erläuterte ein Herr in einer Trachtenjacke. Es war eine Ausstellung über Görkau und den „Görkauer Freundeskreis“. Meine Überraschung war total. Zuletzt blieben der Herr und ich im Raum. Ich stand hinter ihm und sagte: „ Und iech bi aus Rothenhaus.“ Da drehte sich der Herr um, strahlte mich an und sagte: „Mir hom erscht in Dermel gewohnt und do bi iech in Rothenhaus in de Schul gonge, ehe mir dann noch Jerke umgezogn sei. Iech bi d’r Schröter Karl.“ „Iech d’r Triebe Gerhard.“ „Der vom Kaufmann?“ „Jo.“ So haben wir zwei uns kennen gelernt...
      Wer hätte geglaubt, dass so schnell die Einheit unseres deutschen Vaterlandes kam und damit die Möglichkeit eines Wiedersehens von Ost und West in unserer angestammten Heimat bestand. So werde ich nie vergessen, wie wenige Wochen nach dem Tode meiner lieben Frau im Februar 2003 Karl Schröter mich aufmunterte, doch mit Bruder Karl zum Treffen des „Görkauer Freundeskreises" nach Rimbach in den Bayrischen Wald zu kommen. „Da trefft ihr bestimmt auch Rothenhauser." so war es! Unvergessen unser Rothenhauser Weinabend am Kamin nach so vielen Jahren der Trennung. Einer der bewegendsten Augenblicke war das Wiedersehen zweier Ojeser Schulfreunde, Karl Triebe und Alexander Pflugbeil: 1940 zogen sie siebzehnjährig in den Krieg und 2003 umarmten sich beide achtzigjährig in Rimbach bei unserem Treffen. 2014 sind beide neunzigjährig verstorben.
      Aber wir hatten ja alle den Wunsch, uns in unserer alten Heimat zu treffen. Auch dieser Traum wurde ein Jahr später mit dem Treffen 2004 in Oberwiesenthal wahr! Ein für immer unvergessliches Erlebnis bleibt das Konzert in unserer ehemaligen Bürgerschule und jetzigen Kunst- und Musikschule in Görkau. Unvergesslich auch durch die Anwesenheit der ältesten Tochter des letzten Schlossbesitzers Prinz Max zu Hohenlohe-Langenburg, Prinzessin Pimpinella und deren Enkel Graf Sandro Gamazo zu Hohenlohe-Langenburg, die aus Spanien angereist waren. Tschechische Musiker, Vertreter des Lehrkörpers und Schüler, spielten für Heimatvertriebene Görkauer und Rothenhauser. Wer von uns hätte gedacht, noch so etwas zu erleben! Plötzlich sah ich meine Kindheit vor Augen und dachte an meine Eltern ...



      Gerhard Triebe am Neumühlteich in Rothenhaus beim letzten Treffen des GFK 2016