Die letzte Auferstehungsfeier 1946 in St. Ägidius

 

Die meisten unserer Landsleute hatten unser liebes Görkau schon verlassen müssen. Ob sie in der Fremde sein mussten oder in grausamer Gefangenschaft vegetierten oder ob sie schon der kühler Rasen deckte, der graue Alltag ging für uns Zurückgebliebenen weiter.

Es nahte das Osterfest 1946. Es war uns bewusst, dass es das letzte in der Heimat sein würde. Die Karwoche verlief noch ruhiger und stiller, als es der Ritus der Kirche vorschreibt. Keine Glocken „zogen nach Rom“, kein Schnarren vom Stadtturm, kein Ratschen der Kinder in den Straßen. In den Gottesdiensten nur wenige Menschen.

Das hl. Grab war immer am „Rothenhauser Altar“ aufgebaut, doch es war ganz anders, als wir es gewohnt waren. Keine weißen

Mädchen, keine Ministranten, keine Schützen und Veteranen hielten mehr die Grabwache.

 

Rothenhauser_Kapelle

Rothenhauser Kapelle in St. Aegidius, Görkau

 

Doch Kerzen brannten und in wunderbarer Weise zierten herrliche Blumen, die deutsche Frauen noch organisieren konnten, das hl. Grab. Weinende Menschen knieten davor, um zu beten. Zur Auferstehungsfeier am Karsamstag kamen Menschen, meist Frauen und Kinder, aus allen Ecken und Gassen gehuscht, scheu, sich bewusst, dass es ja das letzte Mal war, diese Feierstunde in der Heimat zu erleben. Keine illuminierten Fenster, kein Lichterschein vom Turm, keine Aufstellung der Vereine zur Prozession: alles finster und still. In der Kirche kein Orgelklang; unser unvergessener hochwürdigster Herr Dechant Dr. Buder stimmte mit den Gläubigen die Lieder an. Tief ergriffen klangen sie in der großen Kirche. Als Dechant Dr. Buder tief traurig, mit Tränen in den Augen das Allerheiligste vom hl. Grab zum Hochaltar segnend durch die kniende, weinende und schluchzende Reihe der Gläubigen trug, da wusste er selbst und wir alle, daß diese weihevolle Handlung die letzte in unserer ehrwürdigen Kirche sein würde. Und doch brauste es noch einmal auf, von Schluchzen durchzogen: „Christus ist erstanden!“ Es war wie ein Schrei, ein Schrei, der Hoffnung barg, denn Auferstehung, dieses Wort war eine Mahnung, gab uns Mut und Trost, daß auch wir aus Schmach, Not und Ungewissheit wieder auferstehen werden. Diese letzte weihevolle Feierstunde in unserer lieben Heimatkirche trage ich heute noch tief in meinen Herzen. Sie bleibt unvergessen.Buder_Dechant

      Linda Hoppert, Görkau

 

 

 

 

 

 

Dechant Dr. Eduard Buder