Evangelische Christen in Görkau
Michal Beċvář, Jirkov-Görkau 2010
I. Die erste Welle evangelischer Christen in Görkau
In der Zeit des Reformationsprozesses, vom 31. Oktober 1517, als Martin Luther
seine 95 Thesen veröffentlichte, bis zum Augsburger Religionsfrieden im Jahr
1555 verbreitete sich die neue christliche Lehre in Görkau langsam und im Grunde
genommen ohne Hindernisse. Unter Sebastian von Weitmühl, der die Herrschaft
Rothenhaus in den Jahren 1516 – 1540 inne hatte, wurden Pfarrkinder, die der
lutherischen Lehre anhingen, auch nicht verfolgt, da der Adelige zum Streit um
die Reformation eine ziemlich gleichgültige Stellung einnahm. Strenger war er
nur zu jenen seiner Untertanen, die auf seinen Anwesen lebten.
Auch Sebastians Sohn Johann, der die Herrschaft in den Jahren 1540 – 1554
verwaltete, verhielt sich nicht anders zur lutherischen Lehre. Während des
Schmalkaldischen Krieges (1546 – 1547) holten die Folgen der Kirchenspaltung
auch Görkau ein, das am 17. April 1547 an ein Regiment aus dem protestantischen
Verband des Grafen Thumshirn ein Schutzgeld zahlen musste, um der Plünderung der
Stadt durch die Soldaten zu entgehen. Und das, obwohl bereits einige Einwohner
Görkaus protestantisch – lutherische Christen - waren.
Trotzdem war der Einfluss der lutherischen Lehre bis dahin in Görkau gering. Als
Beweis kann die Kirche des hl. Ägidius gelten, die an der Stelle einer
ursprünglich gotischen Kirche (ungefähr aus dem Jahre 1300) 1538 als katholische
Kirche im neugotischen Stil umgebaut wurde.
Zwischen den Jahren 1530 und 1553 wirkten in Görkau die folgenden Pfarrer1:
Michael Herold, Herr Alexius, Herr Johannes, Herr Erasmus aus Magdeburg, Herr
Wolfgang, Balthazar Reichel, Valentius Hofman, Michael Görner (Körner),
Benediktus Köler, Christoff Matäus Has, Baltasar Trautner, Johannes Kundius
(Cundius, Gundius). Ihre Tätigkeit in Görkau übten sie ausschließlich gemäß der
Böhmischen Kammer und mit ihrer Zustimmung aus. Genauere Angaben gibt es zu
Laurentius Drescher aus Gerek/Böhmen, einem Schulmeister in Chemnitz, der vom
15. März 1553 drei Jahre in Görkau diente. An diesem Tag wurde er als Pastor
eingeführt und übernahm dann die Pfarrei in Görkau. Es ist nicht möglich zu
bestimmen, wer von den oben genannten Pfarrern Katholik und wer Protestant war.
Der erste nachgewiesene protestantische/lutherische Pfarrer in Görkau war
Solomon Seydeman aus Zwickau, der am 25. März 1556 von der Universität in
Frankfurt berufen wurde, um in Görkau, genauer in der Görkauer
Friedhofskapelle(St. Anna), Gottesdienste abzuhalten. Er hielt es jedoch nur 19
Tage aus, da er von den Katholiken angegriffen und letztendlich auch verdrängt
wurde. Für die Gottesdienste erhielt er einen Gulden in der Woche. An seiner
Bezahlung beteiligten sich in großem Maße auch die Einwohner von Weingarten
(Vinařic) und der in dieser Zeit schon starken lutherischen Gemeinde Pirken
(Břecenec).
Anderen Belegen zufolge diente Solomon Seydeman erst ab 15572
in Görkau. Sein Nachfolger war Michel Körner, der jedoch am 26. Juli 1558 vom
Bergmann Wolf Lauterbach umgebracht wurde. Noch im selben Jahr wurde Johann
Corvin in Görkau zum Prädikanten (Prediger) ernannt. Wie lang er in Görkau tätig
war, ist nicht bekannt, da zu seinem Wirken in Görkau keinerlei Angaben in der
Leitmeritzer Diözese vorhanden
sind. Dabei muß er es gewesen sein, auf den sich die Anordnung Kaiser Ferdinands
vom 21. Mai 1565 bezog, in dem er dem Komotauer Hauptmann befahl, Christoph von
Carlowitz den Befehl zur Abberufung des lutherischen Pfarrers zu übergeben und –
sollte der Adelige nicht selbst tätig werden – den Prädikanten (Prediger) sofort
zu ergreifen und nach Prag zu überführen. Hauptmann Aulitzka und Oberförster
Hans Zettelberger übergaben die Weisung des Kaisers an Christoph von Carlowitz.
Dieser schützte den Pfarrer jedoch, indem er behauptete, er sei ihm nicht
bekannt, hier würde Unfug verbreitet werden, und er würde die Angelegenheit
überprüfen lassen. Die von Carlowitz ausgesandten Boten stellten dann jedoch
fest, dass der Pastor bereits zwei Wochen keinen Gottesdienst mehr gefeiert
hatte und mit seiner Familie mit unbekanntem Ziel verzogen war. Später
ermittelte Hauptmann Aulitzka, dass der Prädikant rechtzeitig von seiner
Verhaftung erfahren hatte und sich deshalb in Sicherheit brachte.
Als nachgewiesen gilt jedoch, dass 1567 der lutherische Pastor Johann Bachtel
tätig war. Was jedoch dieses Jahr betrifft, so gibt es in den Quellen
unterschiedliche Angaben zum Wirken des lutherischen Pfarrers. Anhand der
Quellen der Leitmeritzer Diözese (siehe Anmerkung 2) erhielt 1579 der Lutheraner
Balthasar Trautner den Pfarrbezirk. Anderen Belegen zufolge (s. Anmerkung 1)
sollte dieser jedoch bereits am 20. Mai 1566 auf Weisung des Fürsten die Pfarrei
in Görkau übernehmen und diese von 1567 bis 1587 offiziell führen.
Hier muß angefügt werden, dass die oben genannten Informationen, die aus Quellen
der Leitmeritzer Diözese2 und den Aufzeichnungen des Bunds Deutscher
Lehrer1 stammen, sich tatsächlich sowohl bei den Daten als auch bei
den Namen unterscheiden.
Weitere Angaben betreffen das Jahr 1590, als sich in schneller Folge die
Lutheraner Mag. Endius und Johanes Cundius abwechselten, die dann schließlich
durch den katholischen Pfarrer Lochauder (s. unten) ersetzt wurden.
Eine wichtige Person für die Entwicklung der protestantischen Lehre war
Christoph von Carlowitz (tsch. Kryštof Karlovic), der die Herrschaft Rothenhaus
von der Familie Weitmühl gekauft hatte. Der sächsische Adelige, ursprünglich aus
einer preußischen Familie aus der Lausitz (Schloß Hermsdorf bei Dresden)
stammend, war nicht nur kurfürstlicher und kaiserlicher Rat und Erbritter des
Römischen Reiches, sondern als ausgezeichneter Prospektor und Berghauptmann von
Joachimsthal war er auch ein Fachmann im Bergbau. Durch die Entdeckung und
Förderung von Alaunerz (Alaunhaloid, Alunit, Kalialaun) am nördlichen und
östlichen Stadtrand des damaligen Görkaus macht er sich um den größten
wirtschaftlichen Aufschwung in der Geschichte Görkaus verdient.
Da er, erfüllt vom Geist der Renaissance, ganz Mensch seiner Zeit war, standen
für ihn neue Gedanken in Wissenschaft, Forschung und Ökonomie, aber auch in der
Philosophie und Religion im Vordergrund. Deshalb beschäftigte er in seinen
Schächten und Manufakturen, wo Alaun bearbeitet wurde, bevorzugt Protestanten,
die scharenweise aus Sachsen nach Görkau kamen. Seine Entscheidungen und sein
Einfluß hatten auf die Verbreitung der lutherischen Lehre in Görkau unabsehbare
Folgen. Der Einfluß dieser neuen christlichen Lehre, der unter Schwierigkeiten
sieben Jahrzehnte erhalten blieb, sollte sich positiv und stärkend für die Stadt
auswirken, auch wenn er dann der Stadt letztendlich beinahe den Ruin brachte.
Die gute Entwicklung der lutherischen Gemeinde wurde zunächst auch durch die
Gründung der protestantischen Schule bestätigt. Eine Schule gab es in Görkau
bereits seit 1500, damals reichlich unterstützt vom Vorgänger der Familie
Weitmühl, Lorentz Glatz von Altenhof. Aber erst durch Carlowitzens Wirken
vollzog sich der Wandel der Schule zu einer ausgesprochen protestantischen,
freidenkerischen Schule ohne den bigotten (blindgläubigen) katholischen
Unterricht. Aus dieser Zeit stammt die Nachricht vom Schulmeister lutherischen
Glaubens Matthias Walter aus Tetschen, der im
Ordinariatsbuch in Wittenberg 1562 eintrug, dass er 5 Jahre (1554 – 1559)
in Görkau tätig gewesen war. Seine Nachfolger waren Melichor Krautvogel aus
Glogau (1559 – 1564), der in Görkau auch das Amt des Prädikanten (Predigers)
inne hatte und als Carlowitzens
beauftragter und begünstigter Schulbeamter aus St. Katharinenberg nach Görkau
kam, Nikolaus Felgenhauer (1566 – 1568) und Schulmeister Abel Held aus Sachsen
(1570 – 1580).
Die Freiheit der lutherischen Lehre war jedoch nicht von langer Dauer.
Das protestantische Görkau wurde nach dem Tod von Christoph von Carlowitz (8.
Januar 1578) noch für eine gewisse Zeit von seinen Nachfolgern toleriert – neben
den Erben der Alaungruben, Rudolf und Wolf von Carlowitz, auch ab 1577 vom neuen
Besitzer der Herrschaft, August von Gersdorf und ab 1579 vom neuen Rothenhauser
Herrn, Bohuslav Felix von Lobkowitz, einem mächtigen Unterstützer des
Protestantismus im Bezirk Komotau, sowie von seinem Nachfolger Bohuslav Joachim
von Lobkowitz, der die Herrschaft und Görkau bis 1588 besaß. Doch ohne Rücksicht
auf den 1555 in Augsburg geschlossenen Frieden waren die Zeiten für die
Reformation nicht mehr günstig. Von 1576 an herrschte in Böhmen Rudolf II., ein
kompromissloser Katholik. Im Unterschied zu seinem Vater, des der Religion
gegenüber eher gleichgültigen Maximilian I. und seinem Großvater Ferdinand, der
für Böhmen und Mähren dem Papst die Annahme beider Glaubensrichtungen abgerungen
hatte, war Rudolf II. Vertreter der harten Linie der katholischen Kirche. Dies
traf auch auf den dritten Besitzer aus der Familie Lobkowitz zu, der Görkau ab
1588 besaß. Der bigotte (blindgläubige) Katholik Georg Popel von Lobkowitz, der
sich auf die Komotauer Jesuiten stützte, war hart zu den Protestanten. So ließ
er auf den Vorplatz von Schloss Rothenhaus am 20. August 1590 demonstrativ zwei
Führer des Komotauer protestantischen Aufstands gegen die Katholiken hinrichten.
Im selben Jahr setzte er sich über den Widerstand der Görkauer hinweg, vertrieb
den protestantischen Pfarrer Cundius aus der Stadt und setzte den katholischen
Pfarrer Martin Lochauder, auch Lochanter genannt, in der Stadt ein (1590 –
1591). Auch die dann folgenden Pfarrer waren für eine ganze Reihe von Jahren
wieder Katholiken – Johann Cuculus (Euculus, 1591 – 1595), Gabriel Frank (1595 –
1596), Joachymus Sustius (1596 – 1598) und Daniel Doppelhahn (1598 – 1610 gemäß
Leitmeritzer Diözese; laut Bund Deutscher Lehrer starb er bereits 1605), einer
der fähigsten Geistlichen in der Geschichte Görkaus2. Es war wohl ein
Zeichen der Zeit, dass sich – während die älteren Bürger weiter zum lutherischen
Glauben hielten – sich die Jugend langsam, aber sicher, zum katholischen Glauben
hingezogen fühlte. Nach Angaben des Bundes Deutscher Lehrer sollte Doppelhahn
von Elias Hartwich abgelöst werden, der jedoch in den Dokumenten der
Leitmeritzer Diözese nicht erwähnt wird.
Georg Popel von Lobkowitz selbst fiel 1594 beim Kaiser in Ungnade und seine
Herrschaft fiel an die Böhmische Krone, für die Atmosphäre in der Stadt
bedeutete das jedoch keine Änderung. Die protestantischen Tendenzen wurden immer
dann stärker, wenn es zu einem Wechsel der Pfarrer kam. Das ging so bis 1610,
als die Görkauer ihren eigenen protestantischen Pfarrer erhielten und die
Pfarrei an den Balthasar Dubricius ging (1610 – 1613). Bis zur Schlacht am
Weißen Berg (1620) herrschte in Görkau religiöser Frieden. Bis zu diesem
Zeitpunkt wurden die Gottesdienste von den Lutheranern Georg Gross (1613 –
1614), Melchior Katter (1614 – 1619) und Christoff Weber (1619 – 1622) geleitet.
Mit dem Kommen von Christian Wolf am 23.10.1622 fanden die letztendlich
vergeblichen Bemühungen um den Erhalt des Protestantismus in Görkau ihren
Höhepunkt. Wolf wurde bereits am 22. 01. 1623 au Görkau vertrieben und vom
damaligen Besitzer der Herrschaft, Johann Hrzan unbarmherzig verfolgt, bis er im
Jahre 1626 die Emigration ins benachbarte Sachsen wählte. Auch zu Christian Wolf
sind die Angaben nicht eindeutig. So ist er in der Leitmeritzer Diözese als
katholischer Pfarrer, der von 1622 – 1626 in Görkau diente, verzeichnet.
Nach der Schlacht am Weißen Berg verließen die Protestanten eilig Görkau, da die
Lutheraner verfolgt und mit Gewalt zum Übertritt zum katholischen Glauben
gezwungen wurden. Massenhaft gingen sie nach Sachsen, vor allem nach Marienberg.
Am 18. Juli 1656 gründeten die verbliebenen Görkauer Lutheraner unweit von
Oberwiesenthal mit Erlaubnis des sächsischen Kurfürsten eine neue Gemeinde.
Im Jahr 1626 endete für die Lutheraner, die in Görkau geblieben waren, der
„Kampf um den wahren Glauben“ – wie diese die lutherische Lehre nannten. Nach
der Inspektion des Komotauer Hauptmanns, der herausfinden sollte, wie sich die
Gemeinde und die Ratsherren der Stadt Görkau schuldig gemacht und an der
religiösen Rebellion in den vorherigen Jahren beteiligt hatten, wurde die Stadt
endgültig rekatholisiert. So dauerte es weitere fast 240 Jahre, bis die
evangelisch – lutherische Lehre, der Protestantismus, erneut nach Görkau
zurückkehrte.
II. Die neue Welle evangelischer Christen in Görkau
Im Jahr 1858 erhörte die Stadt die Stimme der evangelischen Gemeinde und
erlaubte, am nordöstlichen Stadtrand einen evangelischen Friedhof einzurichten,
der zunächst und nur für kurze Zeit an der Stelle des heutigen Schulgartens der
Integrations – und Berufsschule war, welche sich seit 1947 in der ehemaligen
Villa von Karl zu Hohenlohe – Langenburg befindet. 1860 wurde der Grundstein zum
Bau einer evangelisch – lutherischen Kirche in der Nähe des kurz zuvor erlaubten
Friedhofes und in enger Nachbarschaft zur Wäscherei Kühne gelegt. Die Kirche in
ihrer, den protestantischen Gotteshäusern in Europa und Übersee treuen typischen
Architektur, wurde von 1861 bis 1863 in der Seestraße (Jezerská ulice)
errichtet. An der Kirche wurde auch ein kleiner Friedhof angelegt. Gleich von
Beginn an wurde die evangelische Kirche von den andersgläubigen Görkauern die
„Rote“ oder „Rosa Kirche“ genannt wegen der hellroten Auskleidung der Wände.
Dieser volkstümliche Ausdruck für die Kirche blieb auch nach 1945 im
tschechischen Wortschatz bestehen.
1883 entstand in Görkau eine private einklassige evangelische Gemeindeschule,
die jedoch nach 1893 wegen geringer Schülerzahl geschlossen wurde.
Die evangelische Pfarrgemeinde der „Augsburger Konfession“ für Görkau und
Rothenhaus hatte ihren ersten geistlichen Verwalter in der Person des Pastors
August Kauder, der von 1860 bis zu seinem Tod am 29. November 1880 für die
Protestanten tätig war. Sein Nachfolger wurde zu Beginn des Jahres 1881 der
Prediger Karl Schimik. Nach ihm führten die Pfarrei die lutherischen Pastoren
Josef Ferbas (1881 – 1887), Jan Koch (1887 – 1903), Karl Haffner (1903 – 1906),
Robert Gumiak (1907 – 1932) und Karel Polednik3 (1932 - ?).
Ende der 60er Jahre Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts waren in der
evangelischen Gemeinde in Görkau 280 Personen vereint. Im evangelischen Chor von
„Gustav Adolf“ waren 90 Männer, und 190 Frauen gehörten zum evangelischen
Frauenchor der Gustav–Adolf–Stiftung4. 1935 entstand in Görkau der
neue Evangelische Bund deutscher Protestanten, dem 60 Personen angehörten.
Eine genauere Zahl der Gläubigen in Görkau Ende des 19., Anfang des 20.
Jahrhunderts könnten nach Mitteilung des Zentralen Kirchenbüros der
Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder der Schematismus des Kirchenkalenders
der Augsburger Konfession Hus bieten, von denen die Kirche mit den Jahrgängen IV
– XIX einige aus den Jahren 1896 – 1911 besitzt. Einige weitere Jahrgänge sind
im Besitz der Bibliothek der Evangelischen theologischen Fakultät der
Karlsuniversität in Prag.
Bis zum Jahre 1900 gehörte Görkau zum sogenannten Westlichen Seniorat der
Böhmischen Evangelischen Superintendenz und ab 1901 zur deutschen Westlichen
Superintendenz der Augsburger Konfession. Feststellungen zur neuzeitlichen
evangelischen Gemeinde in Görkau in den Jahren 1867–1938 können angeblich dem
Staatlichen Kreisarchiv entnommen werden, das den Archivfundus mit der etwas
ungenauen Bezeichnung „Superintendantur Augsburger Konfession Eger (Cheb), 1867
– 1938“ verwaltet. Leider ist dieser Fundus, den Angaben im Internet zufolge,
nicht bearbeitet und ist somit nicht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des
Archivgesetzes und weiterer Rechts-vorschriften zugänglich.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Aussiedlung der deutschen
Bevölkerung endeten jedoch endgültig die Aktivitäten der Protestanten hier vor
Ort.
III. Die Evangelische Kirche und die Pfarrei nach 1945
Die tschechischen evangelischen Christen bildeten nie eine starke religiöse
Gemeinde in Görkau und vereinten sich nach und nach mit den Komotauer
Lutheranern. Das wirkte sich auf das evangelische Gotteshaus eher ungünstig aus.
Bereits 1945 übernahm die tschechoslowakische Hussitische Kirche diese Kirche
mit Pfarrei in Görkau und kümmerte sich um das Objekt im Rahmen ihrer
Möglichkeiten. Aber auch ihr gelang es nicht, nach der neuen Verfolgungswelle ab
1968 ihren Görkauer Sitz zu erhalten und die Objekte zu retten. In den Jahren
1945 – 1956 wohnte in der Pfarrei die Familie des hussitischen Priesters Milan
Velċovský, dem nach seinem Tod im Dezember 1956 Herr Fiferna, ein junger freier
Priester aus Prag, folgte. Auch dieser wohnte in der Pfarrei. Nachdem Herr
Fiferna, angeblich wegen seiner Schwäche für das „zarte Geschlecht“, nach Prag
abberufen wurde, ersetzte ihn der Priester Štutbauer (Schtutbauer?). Von den
50er Jahren an wohnten auch als Pfarrkinder die Angehörigen der Familie Loužecký
in der Pfarrei, die sich um die Kirche und das Pfarrhaus kümmerten.
Die letzten Gottesdienste fanden um das Jahr 1966 statt.
Schuld war die sinkende Zahl der Gläubigen in der Hussitischen Kirche,
die, wie auch die anderen Konfessionen, dem ständigen Druck und den Angriffen
der kommunistischen Behörde ausgesetzt war. Und so begannen sich seit dieser
Zeit die Gläubigen der Hussitischen Kirche insbesondere in Komotau zu
versammeln.
In der Kirche blieb nur noch das Kolumbarium (Urnenhalle). Die Komotauer
Pfarrgemeinde kümmerte sich eine gewisse Zeit noch um ein Gebetshaus. Das
Kirchenschiff wurde dann kommerziell genutzt und diente ab Ende der 60er Jahre
einige Jahre lang als Lager des in der Nähe befindlichen Betriebs Vertex, der
seinen Sitz im ehemaligen Kühnewerk in der Brüxer Straße auf dem rechten Ufer
der Biela hatte. Und so lagerte in der Kirche einige Jahre schwarzes
Glasgranulat zur Herstellung von Glaswolle.
Das Pfarrhaus blieb bis Ende der 70er Jahre bewohnt. Bis zum November 1978 lebte
hier die Familie des ersten inzwischen verstorbenen Priesters der Hussitischen
Kirche Velċovský. Zur gleichen Zeit musste auch die Familie Loužecký die Pfarrei
verlassen. Hinzugefügt sei, dass 1972 für kurze Zeit hier der evangelische
Pfarrer Doubrava aus Komotau untergebracht war, da die Komotauer evangelische
Kirche und Pfarrei abgerissen wurden und der Pfarrer bis zur Beendigung der
Rekonstruktion kein anderes Haus in Komotau hatte. An der Stelle des Komotauer
evangelischen Gotteshauses wurde ein Schwimmbad gebaut.
Wahrscheinlich spätestens 1980, in der Zeit des ungezügelten Abrisses großer
Teile der Altstadt von Görkau (Jirkov), wurde auch das Pfarrhaus abgetragen,
auch wenn kein Nachweis darüber erhalten geblieben ist5.
Die Kirche stand jedoch weiter. Ihr Kirchenschiff wurde seit Mitte der 70er
Jahre nicht mehr von Vertex genutzt, und so diente es der heranwachsenden Jugend
aus der nahen Schule als Ort zum Feiern. Damals verschwanden wohl die
Bleipfeifen der Orgel für immer. Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre kam es hier
zu einem traurigen Ereignis. In der Zeit, als der Genuss von Betäubungsmitteln
vom damaligen Regime als Verbrechen eingestuft wurde, wählte einer der
verfolgten Drogenabhängigen in dieser Kirche den Freitod.
Der letzte Vermerk über die evangelische Kirche in der Chronik Görkaus (Jirkovs)
im Jahre 1983 spricht von einem dem Verfall preisgegebenem Objekt.
Laut mündlicher Aussage deutscher Görkauer, die weiter in Görkau wohnen, wurde
die Kirche am 27. April 1984 abgerissen. Es muss jedoch angefügt werden, dass
bis jetzt kein schriftlicher Nachweis zu diesem Datum gefunden werden konnte.
Doch eins ist sicher: Die meisten Einwohner der Stadt interessierten sich nicht
allzu sehr für das Ereignis am Rande der Stadt, außerhalb des Blickfelds, hinter
der verfallenen Fabrik, und es berührte sie auch nicht, so dass es nur wenig
Zeugen gibt. Der Abriss erfolgte offensichtlich in aller Stille, ohne die
Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen, wie das damals in der
Tschechoslowakei üblich war; denn die kommunistischen Funktionäre fürchteten
Proteste gegen das Niederreißen von Kirchenbauten. Auf die gleiche Weise – auch
ohne Bekanntgabe - und bewusst in
den Vormittagsstunden, in denen die meisten Einwohner arbeiten waren, wurde am
15. Juli 1982 die wertvolle katholische Barockkirche in Pirken (Břecenec)
abgerissen. Schon 1984 übernahmen vier Familien die Grundstücke, auf denen noch
vor kurzem die Kirche und das Pfarrhaus standen und sich der Pfarrgarten befand
und bauten dort Einfamilienhäuser.
Anmerkungen:
1 – Nachweis im Stadtarchiv (Görkau) und Regionalem Museum in Komotau zum Jahr
1590, publiziert durch den Kreisverband Deutscher Lehrer im Jahr 1929.
Unterlagen:
-
Landesmuseum Prag
-
Archiv des Ministeriums des Innern
-
Staatliches Archiv in Komotau
-
Stadtchronik Görkaus, 1839, Kajetan Gregor
2 – Lieber memorabilum und katalog cleri diecéze v Leitmeritz – Daten über die
in Görkau in den Jahren 1557 – 1622 tätigen Priester.
3 – Vladimir Beċvář, Historische Daten Görkaus und seiner Gemeinden, 2000.
Unterlagen: Leitmeritzer Diözese.
4 – Ernst Hennrich, Chronik der Stadt Görkau 1930 – 1946
5 – Anmerkung des Autors: Die Streitigkeiten über das genaue Datum, an dem die
Pfarrei und vor allem die Kirche abgerissen wurden, werden bereits 15 – 18 Jahre
geführt, was dem Zeitraum entspricht, in dem diese Informationen frei zugänglich
sind. Doch auch die Zugänglichkeit der Archive konnte diese Unstimmigkeiten
nicht beseitigen, da bisher noch keine schriftlichen Nachweise gefunden werden
konnten. Somit gibt es verschiedene Angaben darüber, in welchem Jahr zwischen
1979 – 1984 die Kirche vernichtet wurde. Die meisten Fürsprecher gibt es für das
Jahr 1981, obwohl der Chronist (Vladimir Beċvář) noch 1983 an die Kirche als ein
dem Verfall preisgegebenes Objekt erinnert. Allerdings hatte wohl niemand den
Einfall, die eigentlichen Görkauer zu fragen, die (wie z. B. Herr Mittelbach)
sorgfältige Aufzeichnungen über ihre Stadt führen. Und so ist das Datum 27. 04.
1984 nur durch eine persönliche Erinnerung belegt. Wie der Autor zudem erfahren
hat, wurde ebenso wie ein wesentlicher Teil des alten Görkaus auch die
evangelische Kirche von der Armee abgerissen, genauer vom Militärbaubetrieb der
Armee der Tschechoslowakischen Republik. Doch auch hier gelang es nicht,
Einzelheiten über die Vernichtung der evangelischen Kirche einschließlich des
Datums festzustellen, da einige Archivmaterialien des Militärbaubetriebes der
Armee der Tschechoslowakischen Republik angeblich immer noch der Geheimhaltung
unterliegen.
Übersetzung aus dem Tschechischen: Jens Gröschl;
Korrekturen, ergänzende Erläuterungen u. Bilder eingefügt: Jürgen Schmidt;
Redaktion: Gerhard Triebe, GFK 2010